Wer nichts aus der Geschichte lernt ...



Es kann erschrecken, wenn man als Autor feststellt, dass ein Buch plötzlich aktueller ist, als es bei seiner Veröffentlichung vor zehn Jahren war. Damals porträtierten meine Frau und ich in unserem Roman "Corpus Sacrum" den römischen Limes in Germanien als Bollwerk nicht gegen feindliche Invasoren, sondern gegen illegale Einwanderer: Kriegs- und Armutsflüchtlinge aus dem weiten Barbarenland außerhalb der römischen Grenzen. Übrigens stimmte die Kuratorin des Wiesbadener Museums, Dr. Klee, dieser Sichtweise völlig zu. Wir hatten ferner eine exemplarische Schlepperbande, geführt von einem Gauner namens Catvalda, die ihren Reibach damit machte, Germanen illegal über den Limes zu schleusen (und sie gelegentlich in die Sklaverei zu verkaufen). Damals sah das wie eine Szene aus ferner Vergangenheit aus. Heute aber sehen wir sie in der Realität an der ungarischen Südgrenze!

Oh ja, Rom hatte dieselben Probleme wie wir und dieselben Meinungen. Demetrius, einem romanisierten Germanen, legten wir damals die Worte in den Mund: "Lass einen Germanen nur ins Land. Seine Kinder werden ein Haus bevölkern, seine Enkel ein Dorf, seine Urenkel einen Landkreis." Genau so kam es - und aus diesem Flüchtlingsstrom, der alles überschwemmte und zugrunde richtete und von der Zivilisation nichts übrig ließ, entstand das Volk der Deutschen.

Wir hatten ganz bewusst unsere Romane in eine Zeit gelegt, in der das Thema der Masseneinwanderung für die Römer immer drängender wurde. Die in der vergangenen Woche erstmals auf Deutsch erschienene Fortsetzung "Gesetzwerk des Kosmos" haben wir bereits 2013 auf Englisch veröffentlicht und sind von der Geschichte eingeholt worden: Heute wie damals griff ein lange für befriedet gehaltener Gegner unverhofft auf fremdes Gebiet über: damals Parthien auf die nahöstlichen Provinzen Roms, heute Russland auf die Krim und den Donbass. Vor dem Donaulimes standen die im Norden von den brutalen Vorfahren der Goten bedrängten Marcomannen und verlangten die Grenzöffnung wie heute die Syrer und Iraker: Rom möge ihre Flüchtlingsströme hereinlassen, ihnen allen politisches Asyl gewähren und sie mit Ackerland versorgen. Rom lehnte das begreiflicherweise ab, und die "verzweifelten Menschen" auf der anderen Seite der Grenze versuchten, sich mit Gewalt zu nehmen, worauf sie irrig ein Recht zu haben wähnten. Zwei jahrelange zermürbende Kriege folgten, nach denen alles wieder beim Alten war. Ist es das, was auch uns bevorsteht, sobald wir aufhören, uns unter dem Sturm der Flüchtlinge wegzuducken, wie Mami es verlangt?

Die Geschichte wiederholte sich im 5. Jahrhundert. Riesige Flüchtingswellen strömten auf der Flucht vor den Hunnen, aber auch vor der Armut, in das Römische Imperium: mehr, weitaus mehr, als Westrom kulturell zu integrieren vermochte. Das Endergebnis war das, was sich in unseren Romanen abzeichnet: Statt dass sich das Barbaricum zu einem zweiten Rom erhob, degenerierte Rom zu einem zweiten Barbaricum. Ganz anders die Poltik des oströmischen Kaisers Zeno: Wie Victor Orban heute in Ungarn schloss er konsequent seine Grenzen, wies alle schon vorhandenen germanischen Flüchtlinge außer Landes und sandte sie nach Westen und lenkte auch die neuen Flüchtlinge dorthin. Nun ratet, welche Hälfte des Römischen Reichs die war, die überlebte ...

Erleben wir dieses Zeitalter heute wieder, mit Hunnensturm und Völkerwanderung, bis die europäische Zivilisation zerfällt? Am Ende eröffneten die Flüchtlinge eigene Königreiche auf römischen Boden und es kam das, was keiner gewollt hatte: das Dunkle Zeitalter.

Wer aus der Geschichte nicht lernen will, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen, heißt es. Wie in unseren Roman, die plötzlich aktueller sind, als uns lieb ist. 

Haben wir denn nichts gelernt?

Kommentare

Beliebte Posts