Unsere alten Städte: von Migranten gezeugt

Manche Leute graben tiefer in die Vergangenheit, als anderen Leuten lieb ist. Als ich einmal vor meist älteren #Wiesbadener Bürgern eine Lesung aus unserem Erstlingsroman "Corpus sacrum" hielt, erinnerte ich daran, wie unsere gemeinsame Heimatstadt unter den römischen Kaisern #Augustus und #Tiberius entstanden waren: Unten im Talgrund, im Badeort Aquae Mattiacorum, wurden die einheimischen #Mattiaker angesiedelt, oben auf dem Berg entstand ein Kastell, das mit einer römischen Kohorte belegt war. Und zwar mit einer Truppe, die ihren Inschriften zufolge in #Dalmatien rekrutiert worden war. Darauf schilderte ich, wie sich diese Dalmatier mit den hübschen Germanenmädchen vor ihrem Lagertor befreundeten und die Wiesbadener Urbevölkerung freudig vermehrten, und schloss mit dem Satz: "Die ganz alten Wiesbadener also, die richtig alten - die kommen vom Balkan."
Das schockierte Schnaufen im Publikum war deutlich zu hören.
Schade, dass ich diese Lesung nie in #Butzbach am Obergermanischen #Limes gehalten habe. Die Butzbacher stammen nämlich von einer Kohorte römischer Araber aus Nordafrika ab.
Das Grabmal des Philopappos, Königssohn
und syrischer Migrant, im antiken Athen
Das Schöne am Imperium Romanum war sein interkontinentaler Migrationsverschiebebahnhof. Rekruten wurden ja selten dort eingesetzt, wo sie hergekommen waren. Nordafrikaner standen nicht nur in Butzbach: ein Kontingent Syrer aus dem untergegangenen Königreich #Commagene lag in #Tulln an der Donau, Grabsteine syrischer Kaufleute finden sich ebenso auf und ab entlang der #Rhône, wo sich große Kolonien dieser Migranten entlang des meistbefahrenen Handelswegs vom Mittelmeer nach Gallien eingerichtet hatten. Die Nachfahren der syrischen Könige gehörten aber zum engeren Kreis der römischen Kaiser: #Philopappos, dem das allen Athentouristen bekannte Grabmal gewidmet ist, #Avidius Cassius, der Feldherr und Usurpator in der Zeit des Kaisers Marcus Aurelius, Iulia #Balbilla, die enge Freundin von Kaiserin #Sabina, die alle auch eine zum Teil gefährliche Rolle in unserem neuen Roman "Gesetzbuch des Kosmos" und seinen beiden im kommenden Herbst und Winter folgenden Fortsetzungen spielen.
Ach ja, und die wehrfähigen Wiesbadener? Die fanden sich an der unteren Donau wieder, in Rumänien, wo die Kaiser zwei Cohortes Mattiacorum stationiert hatten.


Ob die Flüchtlinge von heute vielleicht doch nur ihre Verwandten von einst besuchen?

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