Glykon, der Muppetgott

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Glykon, und ich bin ein Gott. Oder so hat man von mir gesagt. Früher habe ich am Schwarzen Meer in einem Fischerdorf gewohnt; Abonuteichos hieß es damals, unter den Römern. Das wurde ein richtiger Touristenmagnet, als mein Prophet Alexandros und ich dort einzogen. Wir beide haben damals nämlich Orakel gestellt wie die Kollegen drüben in Delphi - der Name sagt Ihnen doch etwas? Mit sowas konnte man damals richtig Kohle machen, denn was die Zukunft bringt, ja, das will doch jeder wissen vom Kaiser bis zum Küchensklaven. 
   In der Pharmaindustrie waren wir auch tätig. Mein Vater ist nämlich Asklepios, der Gott der Heilkunst, und da lag es doch nahe, ins Medikamentengeschäft einzusteigen. Alexandros meinte übrigens immer, er sei der Sohn von Podalirios, meinem Bruder. Also hätte er eigentlich Onkel zu mir sagen sollen. Aber er nannte mich immer nur seinen Süßen - Glykon halt, denn er redete ja Altgriechisch.
   Das war ein Mordsgeschäft, das wir beide damals hatten. Bis dieser Witzbold vorbeikam, Lukian von Samosata. Der war nun so ein ganz Moderner, einer, der richtig "wissenschaftlich" sein wollte. Er glaubte nämlich überhaupt nicht an Götter und an Wunder und Prophezeiungen, und er behauptete von mir, ich sei ein Muppet - eine Miss Piggy für olle Römer, unglaublich! ein Gliederpüppchen mit Fäden dran, mit denen mein Prophet seine ganzen Gläubigen zum Narren hielte, auch die Statthalter und die Legionskommandeure. 
   Ich meine, ein bisschen Vertrauen darf ich doch wohl erwarten, oder? Wundert es Sie da noch, dass mein Alexandros diesen Frechdachs im Meer versenken wollte? Schon, als er jenen ganz gesittet empfangen hatte und ihm den Handkuss gewähren wollte, da hat dieser Lukian ihn doch glatt in die Pratze gebissen, dass man die Zähne sah. Wirklich! Glauben Sie mir etwa nicht? Das erzählt Lukian selbst in seiner Reportage, in der er meinen Alexandros als den größten Gauner seit Alexander dem Großen bezeichnete! Lesen Sie es selbst nach, bei ihm finden Sie viele Taschenspielertricks beschrieben, die Ihre ... Gurus sagt man doch? ... noch heute benutzen, um die abergläubischen Trottel zu verführen. Womit ich nicht sagen will, dass Sie einer sind; Sie denken doch eher wie dieser Lukian, der immer alles mit Vernunft hinterfragen und logisch deduzieren wollte, oder? Und das vor 1850 Jahren! 
   Wissen Sie, zugehört hat ihm ja kaum einer damals. Wer betrogen sein will, der wird halt betrogen, und mich hat man noch angebetet, als er schon lange im Hades herumsaß, an den er auch nicht geglaubt hat. Aber wie er das alles aufdeckte, was mein Alexandros und ich zusammen aufgezogen haben, das ist schon eine Komödie, die seine Leser zum Lachen bringt. 
   Die kommentierte Neuübersetzung von Die Schlange und ihr Priester kommt diese Woche bei XinXii und CreateSpace in den Onlinehandel, da können Sie sich selber überzeugen. Wer von beiden aber mehr gelogen hat, Alexandros oder Lukian, diese Entscheidung überlasse ich lieber Ihnen.

Besuchen Sie mich doch mal in Ankara! Dort finden Sie mich im Museum für Anatolische Zivilisationen, so, wie ich hier oben auf dem Bild vor Ihnen sitze. Ich freue mich auf Sie!

Herzlichst,

Ihr Süßer Glykon

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